Ulmer Laufnacht 100 km
- Wann:
- Fr, 12. Juni 2009
- Kategorie:
- 2009
Ulmer Laufnacht 100 km - 12./13.06.2009
100 km
Ergebnis:
148. Rainer Rottmann 13:36;47 Stunden
( 30. MK40 )
Zwischenzeiten:
20 km: 02:28;35 Stunden
50 km: 06:26;54 Stunden
80 km: 10:48;31 Stunden
Laufbericht:
Die Ulmer Laufnacht beginnt und endet in Blaustein, ca. 4Km westlich von
Ulm.
Der Rundkurs um Ulm herum, geht gegen den Uhrzeigersinn und beginnt um
23 Uhr.
Um ca. 7 Uhr am Samstag Morgen erreicht der Sieger das Ziel, der Rest
läuft etwas länger.
Einzigartig ist der Start. In dem kleinen Stadion, der aus einem
Fußballplatz und einer Tartanbahn besteht, haben sich die Veranstalter
größte Mühe gegeben, dass dieses Event nicht in Vergessenheit gerät.
Auf dem Spielfeld in der Mitte standen vier Heißluftballons.
Die Gasflammen die ab und an gezündet wurden erhellten die ganze Umgebung.
Noch läuft die Schwabenhymne. Der Startschuss rückt näher. Die
Nervosität mancher Teilnehmer entlädt sich durch extreme
Muskeldehnungsübungen, durch endloses Reden und herum tippeln, es gab
sogar welche die sich warm liefen.
Es soll auch andere gegeben haben, sagte der Thomas, die das durch
Beobachten anderer und Endlosfotografieren zu kompensieren versucht haben.
Ich hab da niemanden entdeckt ;-)
Zeitgleich zum Startschuss ging eine Rakete in den Himmel , die der
Lautstärke, der bei uns verbotenen Vogelschreck Munition aus Österreich
entsprach, aber gleichzeitig das Firmament als Leuchtfontäne glitzernd
erhellte.
Mit Hells Bells von ACDC ging es noch eine drei viertel Runde über die
rot gummierte Tartanbahn , links und rechts alle paar Meter standen
bengalische Feuer, sprühten zwei Meter hohe Funkenfontänen senkrecht in
die Luft.
Es ging raus in die Nacht, wir schauten noch gelegentlich zurück. Das
Feuerwerk wurde weniger. Anfänglich gab es wieder Mitstreiter die sich
vorbei drängten mit einem:
"Vorsicht Läufer links vorbei".
Da kam mir sofort wieder der Untertagelauf in den Sinn. Den gleichen
Satz hörte ich an der ersten langen Steigung. In der zweiten Runde
wollte niemand mehr vorbei.
Egal.
Wir liefen ganz gemütlich in die Nacht, gut unterhaltend und ohne zu"
schnaufen".
Mein Körpergefühl stellte sich heute nicht so ein wie ich es gewohnt
war. Nach zwanzig Kilometer fühlten sich meine Beine bereits an wie nach
vierzig. Mein Gedanke an die Restlänge ließ mich zweifeln. Als der
Thomas noch verkündet, dass sich seine von Anfang an bestehenden
Knieprobleme verstärkten und er lieber ein wenig langsamer machen
möchte, war mein Ego nicht gerade auf der Höhe. Wir trennten uns bei ca.
25km. Es war immer noch finstere Nacht und lief immer weiter den gelben
Pfeilschildern, oder den Leuchtmarkierungen nach. Mein Gefühl wurde mit
dem Sonnenaufgang etwas besser. Mittlerweile lag eine Marathondistanz
hinter mir und ich hatte den Satz vom Startsprecher wieder im Ohr, er
sagte: "Es liegen knapp zweieinhalb Marathondistanzen vor den
Einzelstartern". Das macht noch knapp 60km für mich. Komischerweise
besserte sich mein Körpergefühl mit steigender Sonne stetig. Um ca. halb
sechs erreichte ich die 50km Marke, ein markanter Punkt im Rennen.
Ab jetzt kann man zurückzählen.
Die Hälfte war erreicht.
Viele Teilnehmer haben hier aufgehört. Sie waren an den silbern- golden
beschichteten Rettungsfolien zu erkennen, die in jedem Auto-
Verbandskasten zu finden sind.
Mit umgelegten Folien warteten Sie auf den Rücktransport zum Startplatz.
Die kommenden Kilometer gingen am Donauuferweg entlang, wo sich mein
Verdauungsorgan bemerkbar machte. Grade jetzt in der Stadt war mein
Gedanke. Meine Augen gingen links und rechts um eine passende Stelle
ausfindig zu machen. Es war momentan kein geeignetes Terrain. Rechts
steil abfallend ohne Bewuchs, die Donauuferböschung, links die
Stadtmauer aus großen Sandsteinquadern 3m hoch aufgeschichtet. In kurzer
Entfernung hinter mir, einige meiner Mitstreiter.
"Scheiße"!!
Irgendwie schaffte ich den kommenden Kilometer, dann wechselten wir die
Uferseite und es fand sich schnell ein geeigneter Platz zu toilettieren.
In einer anderen Gewichtsklasse ging es weiter.
Weiterhin an der Donau entlang waren die nächsten Kilometer zu bewältigen.
Wir passierten das Ortsschild von Elchingen das mir von der Anfahrt ein
Begriff war. So ca. 65 km müssten geschafft sein. Weniger als einen
Marathon, ein Lichtblick.. Der kommende Weg war gut profiliert. Das
heißt aufwärts gehen, gerade, abwärts laufen. Es geht wieder abwärts.
Wir kommen Ulm wieder näher. Das Münster ist zum greifen nahe als wir
die 80 km Markierung passierten. Nicht mal mehr ein Halber. Ein guter
Gedanke.
Seit gut 5 km bin ich auf den Gerhard gestoßen. Ein sehr interessanter
Mann Bj. 1949. Er erzählte mir von seinen Laufanfängen 1994. Er war
starker Raucher, schaffte als Anfangsstrecke gerade mal 400 m, machte
immer etwas mehr ........erzählte von seiner Frau, von seiner
beruflichen Laufbahn, von seinen zukünftigen Plänen. Wir unterhielten
und unterhielten uns und plötzlich entdeckte ich ein Schild das hatte
ich noch nie gesehen. Darauf stand 90 km. Ein Gefühlswirrwarr. Rainer
etz noch schlappe 10 und du bist ein 100 km Läufer. Jetzt kommt der
Punkt der Ungeduld. Ab jetzt stehen bei jedem Kilometer,
Markierungstafeln. Das nächste Schild war bald erreicht, das nächste,
das nächste, bei 94 km war der letzte Verpflegungsstand. Wir nahmen wie
schon die letzten Male ein bis zwei Becher alkoholfreies Bier und weiter
ging es. Ab jetzt anfänglich steil abwärts. Ich laufe hinter dem Gerhard
her, er läuft so locker als wäre er am Anfang. Meine Knöchel spüre ich
bergab besonders. Doch wo es runter geht gehts auch wieder hoch. Ein
Genuss für meine Haxn, so im Gehschritt. So, jetzt noch einmal abwärts
und die 98er Markierung ist erreicht. Ich bitte meinen Mitstreiter bei
99 ein Bild zu machen, was er gerne übernimmt. Jetzt noch 900 Meter als
ein Radfahrer von hinten kommt und im schwäbischen Dialekt fragt: "Seit
ihr 100 km gelaufen, heut?" Wir erwiderten:"Nein, bis jetzt erst 99,1."
Er wünscht uns Glück und weiter gehts. Meine Gefühlswoge aus dem Bauch
schießt nach oben als wir die Tartanbahn erreichen. Ich muss mehrmals
Schlucken als uns Beifall gespendet wurde. Noch 50 Meter die letzte
Gerade vor dem roten Zielbogen. Noch 2 Meter, geschafft. Ich habs
gschafft, ich kanns nicht glauben, ich habs gschafft.
Übrigens der Gerhard hat mich viele km mitgeschleift. Er sagte oft:
"Komm etz laufen wir wieder ein Stück, dass wir nicht einrosten!".
Der Mann heißt Gerhard Albert, ich muß ein weinig Werbung machen weil er
ein sehr sympathischer und wirklicher Ultraläufer ist. Schaut mal seine
Homepage an und seht selbst.
Gerhard-ultra
Es war schwer aber zum Schluss doch schön.
Es wechselt Pein und Lust, genieße wenn du kannst und leide wenn du musst.
Johann Wolfgang von Goethe
Grüßla
euer Rainer